Kultur ist nur bedingt messbar – aber gezielt gestaltbar. Über Prozesse, Routinen und Haltung. Wie das gelingen kann, zeigt sich dort, wo HR nicht moderiert, sondern Rahmen setzt.
Wenn die Zusammenarbeit nicht läuft, liegt es selten an der Technik
„Wir haben die Tools – aber jede Abteilung nutzt sie anders.“
„Absprachen dauern ewig – obwohl wir ständig Meetings haben.“
„Im Büro funktioniert’s – im Homeoffice bricht alles auseinander.“
Solche Rückmeldungen kennt HR – aus Feedbackrunden, der Mitarbeiterbefragung oder aus eskalierenden Konflikten. Und sie zeigen ein wiederkehrendes Muster: Die technischen Rahmenbedingungen stehen, Prozesse sind eingeführt, Arbeitsorte definiert – und dennoch fehlt ein verbindendes Verständnis dafür, wie Zusammenarbeit tatsächlich gelingen soll.
Gerade hybride Arbeitsformen bringen strukturelle Unschärfen ans Licht: Zuständigkeiten verwischen, Entscheidungen werden vertagt, informelle Klärungen bleiben aus. Was früher durch Nähe kompensiert wurde, braucht heute explizite Regeln und geteilte Routinen – andernfalls entsteht kulturelles Vakuum: Orientierung, Zugehörigkeit und Vertrauen gehen verloren. Und mit ihnen auch Führungskraft und Effizienz.
Was fehlt, ist kein weiteres Tool – sondern ein klarer Rahmen für Zusammenarbeit. Hier beginnt die strategische Rolle von HR.
Warum hybride Kulturarbeit oft verpufft
Organisationen sprechen viel über Kultur – aber meist ohne Verbindlichkeit. Statt gelebter Prinzipien dominieren Appelle: Führung soll „Kultur vorleben“, Mitarbeitende „Verantwortung übernehmen“. Gleichzeitig entstehen neue Prozesse, Rollen, Tools – jedoch oft ohne Bezug zu den tatsächlichen Anforderungen im Alltag. So entstehen Maßnahmen, aber kein Fundament. Strukturen werden geschichtet, ohne kulturelle Orientierung. Das Ergebnis: Mehr Komplexität, weniger Wirkung.
Wirksame Kulturarbeit beginnt nicht mit neuen Formaten – sondern mit der Klärung, worauf Strukturen überhaupt aufbauen sollen.
Drei Hebel für gelebte Kultur in hybriden Strukturen
- Kultur zeigt sich im Alltag – nicht in Absichtserklärungen
Kultur entsteht nicht auf dem Papier. Sie ergibt sich aus den Werten und Haltungen einer Organisation – und zeigt sich in Rücksprachen, Meetings und Entscheidungsprozessen. Genau deshalb braucht sie Anschluss an das, was ohnehin passiert: Zusammenarbeit als gelebte Haltung im operativen Tun – nicht als separate Initiative. HR kann hier gezielt ansetzen: durch die (Weiter-)Entwicklung teambezogener Regeln, durch moderierte Verständigungsprozesse oder durch Führungsimpulse, die Alltagsentscheidungen mit Haltung verbinden.
Wo wird Zusammenarbeit bereits reflektiert – und wo laufen Erwartungen noch implizit nebeneinander her? - Struktur gibt Kultur Halt
Kultur bleibt folgenlos, wenn sie nicht operationalisiert ist. Was es braucht, sind wiedererkennbare Muster: Verlässliche Routinen, klare Entscheidungslogiken, abgestimmte Formen der Zusammenarbeit. Das reduziert Reibung und schafft Orientierung – nicht nur für Teams, sondern auch für Führung.Ob in Form strukturierter Meetings, teambezogener Selbstverständigungen oder abgestimmter Regelwerke: Kultur braucht Rückhalt in der Organisation – sonst bleibt sie beliebig.
Welche Routinen stützen bereits gemeinsame Prinzipien – und wo fehlen noch konkrete Ankerpunkte? - Wirkung zeigen – auch bei weichen Themen
Was nicht sichtbar ist, bleibt ungestaltbar. HR kann kulturelle Muster identifizieren, indem es eigene Prozesse als Spiegel nutzt: Im Recruiting zeigt sich, ob Werte und Haltung passen. Im Onboarding wird sichtbar, welche Routinen Orientierung geben – und wo sie fehlen. In Mitarbeitergesprächen oder Befragungen lassen sich Spannungen oder Brüche erkennen. Es geht dabei nicht um Bewertung, sondern um Deutung: Wo greifen Routinen? Wo zeigen sich Reibungen? Wo entsteht Potenzial für Klärung oder Neuausrichtung? Genau so entsteht Steuerungsfähigkeit – auch bei vermeintlich weichen Themen.
Welche kulturellen Signale werden in Ihrer Organisation sichtbar – jenseits von Konflikten oder Rückzug?
Warum HR sich zeigen sollte
Kulturelle Klarheit ist kein Selbstzweck – sie entlastet. Wenn Zusammenarbeit bewusst geregelt ist, müssen Führungs- und Abstimmungsprozesse nicht permanent neu verhandelt werden. Das schafft Verlässlichkeit. HR kann diese Verlässlichkeit systemisch unterstützen: durch Prozesse, die Haltung operationalisieren. Durch Formate, die Verständigung ermöglichen. Und durch Instrumente, die kulturelle Qualität nicht normieren – sondern sichtbar machen.
Weiterdenken statt abschließen
Kultur entsteht dort, wo Zusammenarbeit konkret wird. Wer an dieser Stelle strukturell gestaltet, legt den Grundstein für nachhaltige Bindung, Motivation und Wirksamkeit. Vielleicht liegt genau darin die nächste strategische Rolle von HR – nicht als Moderatorin, sondern als Architektin des Rahmens.