Kennen Sie diese Situation: Zwei Bereiche starten mit der gleichen Aufgabe, aber der eine liefert, der andere kommt ins Stocken. Das ist für Sie unverständlich, denn in Ihrer Organisation haben Sie Ziele, Prozesse und Zuständigkeiten klar definiert, dennoch gibt es diese Unterschiede und die KPI geben keine Erklärung und damit auch keine Handlungsmöglichkeit. Letzteres ist nachvollziehbar, denn Kennzahlen messen Ergebnisse, aber nicht die Voraussetzungen, unter denen sie entstehen. Und genau dort entstehen die teuersten Risiken: Verzögerungen, Qualitätsprobleme und verdeckte Kosten, die erst sichtbar werden, wenn sie bereits wirken.
Was bedeutet das für die Geschäftsführung?
Wenn die Voraussetzung für gute Leistung nicht nachvollzogen werden kann, entsteht ein riskanter Zustand: Man steuert die Performance „blind“, ohne Verständnis für die strukturellen Gründe, warum Verzögerungen, Kapazitätsengpässen oder Qualitätsreklamationen entstehen oder eben nicht. Genau hier entstehen – auch versteckte – Kosten: Zeitverluste, Überlastung einzelner Schlüsselpersonen und Qualitätsrisiken, die erst sichtbar werden, wenn sie ein Geschäftsrisiko erzeugen.
Das funktioniert so lange, wie performante Teams diese strukturellen Lücken kompensieren. Doch sobald Belastung steigt oder Veränderungen dichter werden, verschiebt sich das Gleichgewicht: Prioritäten geraten ins Rutschen, Schnittstellen verlieren an Stabilität, die Umsetzung verliert ihren Takt. Das beobachten wir in nahezu jeder Organisation: Die starken Teams tragen lange, aber nie unbegrenzt.
Wenn unklar bleibt, warum das geschieht, besteht ein hohes Risiko für Ergebnisstabilität und Veränderungskraft. Denn performante Teams sind nicht automatisch besser aufgestellt. Häufig gehen über ihre Belastungsgrenzen hinaus und kompensieren so lange, bis Arbeitsintensität oder Veränderungsdichte einen Kipppunkt erreichen.
Umso wichtiger ist es, die Voraussetzungen für Performance sichtbar zu machen, wenn Sie in Ihrer Organisation Unterschiede verstehen und steuern wollen. Aus unserer Praxis zeigen drei Elemente zuverlässig, woran stabile Umsetzung hängt und warum sie in manchen Teams gelingt und in anderen nicht.
Unsichtbares sichtbar machen
Was sind die Bedingungen, unter denen Teams überhaupt verlässlich arbeiten können? In vielen Organisationen ist genau dieser Punkt unscharf: Die Prozesse sind gleich, die Voraussetzungen, unter denen sie umgesetzt werden, unterscheiden sich jedoch spürbar – häufig, ohne dass es bewusst ist. Der Zustand, dass die Organisation nicht unter transparenten Bedingungen ihre Ergebnisstabilität steuert, sollte nicht hinnehmbar sein.
Unsere Erfahrung zeigt, dass es gar nicht so schwer ist, Führung nicht nur als Verhalten, sondern auch als Arbeitsgestaltung zu verstehen. Bedingungen, die überall gelten und sich dennoch dem jeweiligen Arbeitskontext anpassen. Genau an diesem Punkt entsteht die Handlungsfähigkeit der Geschäftsführung: Klarheit, was Führung für die Organisation sichern muss.
Drei Impulse, um diese Transparenz zu erreichen:
1. Die unsichtbare Differenz in den Teams wahrnehmen
Der erste Schritt zu einer verlässlichen Steuerung besteht darin, sichtbar zu machen, unter welchen Bedingungen Teams überhaupt stabil arbeiten können. Denn die Unterschiede in der Umsetzung entstehen selten aus Kompetenz oder Motivation, sondern aus der Beanspruchungslage, in der Teams arbeiten und aus der Frage, wie viel davon sie noch kompensieren können. Damit erkennen Sie, wo Leistung wirklich entsteht und wo sie aus Substanz kommt.
Denn oft halten Teams ihre Leistung nicht deshalb stabil, weil die Bedingungen ideal wären, sondern weil sie über längere Zeiträume hinweg kompensieren: z.B. durch erhöhtes Arbeitstempo, durch informelle Lösungen intern und an Schnittstellen oder durch individuelle Belastungsbereitschaft. Diese Stabilität wirkt nach außen robust, entsteht aber häufig auf Kosten der Erschöpfung.
Andere Teams können genau diese Kompensation nicht mehr leisten, nicht, weil sie „schwächer“ wären, sondern weil die Belastung bereits zu hoch ist oder weil ihre Ressourcen durch frühere Phasen der Dauerbeanspruchung erschöpft sind.
Damit entsteht ein Muster, das nicht sichtbar ist, solange die Organisation ausschließlich auf Ergebnisse schaut: Leistung wird teilweise aus der Substanz erzeugt. Exakt das erleben wir in so vielen Workshops: Leistung stabilisiert sich nach außen, während die Teams intern längst an der Grenze arbeiten.
Sobald diese Unterschiede sichtbar werden, verändert sich die Perspektive: Nicht das Team ist das Thema, sondern die Ausgangslage. Nicht das Verhalten erklärt die Differenz, sondern die strukturelle Beanspruchung.
Die zentralen Fragen verschieben sich damit von „Wer macht etwas gut oder schlecht?“ hin zu:
- Unter welchen Bedingungen können Teams ihren Takt halten?
- Welche strukturellen Faktoren führen dazu, dass Teams dauerhaft kompensieren müssen?
- Wo sind Kapazitätsgrenzen erreicht, nicht aus mangelnder Leistungsbereitschaft, sondern aus Überbeanspruchung?
- Wo entstehen Reibungen, die Teams eigenständig lösen und wo nicht mehr?
- Welche Bereiche arbeiten unter Bedingungen, die zwar Ergebnisse liefern, aber nicht nachhaltig tragfähig sind?
Diese Fragen sind keine weichen Aspekte. Sie sind die Grundlage jeder Steuerungslogik, die nicht auf Symptome reagiert, sondern auf die Bedingungen, unter denen Arbeit entsteht.
2. Schaffen Sie kontextbezogene Leitplanken, statt nivellierend zu arbeiten
Wenn diese Bedingungen sichtbar sind, wird verständlich, warum Führung ein wirtschaftlicher Faktor ist. Nicht, weil sie alles entscheidet, sondern weil sie die Mechanik herstellt, die ein Team arbeitsfähig macht. Wenn die Leitplanken gesetzt werden, halten die Teams das Tempo auch mal unter Druck. Anderenfalls verlieren auch „performante“ Teams auf Dauer langsam, aber spürbar.
Dennoch sollte daneben auch differenzierend und nicht mit der Gießkanne auf alle gleich reagiert werden. Nicht jedes Team braucht dieselben Rahmenbedingungen. Ein Bereich mit hoher Kundendynamik benötigt z.B. ein anderes Entscheidungstempo als ein Bereich mit projektorientierten Zyklen.
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Tipp: |
| Nähe zur Arbeitsrealität Je näher die Leitplanken an den tatsächlichen Bedingungen der Arbeit liegen, desto höher ist seine Relevanz. Damit wird klar, was ein Bereich wirklich braucht, um stabil zu arbeiten, statt überall mit denselben Maßnahmen zu reagieren. |
Doch wie kommt eine Organisation zu den Leitplanken? Indem sie konsequent Frühindikatoren identifiziert, bevor diese zu einer Dauerbelastung werden:
3. Frühindikatoren identifizieren
Frühindikatoren zeigen sich dort, wo Arbeitsfluss ins Stocken kommt: Entscheidungen dauern länger als üblich, Prioritäten verschieben sich häufiger, Abstimmungen benötigen zusätzliche Schleifen, Übergaben verlieren an Klarheit oder Themen eskalieren, obwohl sie zuvor stabil gehalten wurden. Oft tauchen auch leise Signale auf – zunehmende Arbeitsintensität, fehlende Puffer, wachsende Ad-hoc-Anfragen oder erste Ermüdungsanzeichen im Team.
Diese Muster sind kein Anlass für Kritik. Sie sind ein Hinweis darauf, dass die Leitplanken, die Teams brauchen, nicht mehr verlässlich greifen. Genau hier entsteht der strukturelle Mehrwert: Frühindikatoren ermöglichen es, die Stabilität eines Bereichs zu lesen, bevor Belastung in Ergebnisse durchschlägt.
Besonders relevant werden Beobachtungen wie:
- Priorisierung: Kommen Themen geordnet an oder gleichzeitig?
- Entscheidungstakt: Entstehen Entscheidungen im Rhythmus, der den Arbeitsfluss stabil hält oder zu spät?
- Schnittstellenlogik: Tragen Übergaben noch oder werden sie zu Reibungspunkten?
- Belastungsverlauf: Entstehen Spitzen, die nicht abgefangen werden oder werden sie verteilt?
- Klarheit: Bleibt Orientierung bestehen, wenn sich Rahmenbedingungen ändern, oder entsteht Unruhe?
Diese Punkte sind kein operatives Klein-Klein. Sie machen sichtbar, ob die strukturellen Leitplanken, die im zweiten Schritt definiert wurden, im Alltag tatsächlich vorhanden sind.
Wer diese Signale gemeinsam mit seinem Führungsteam liest, arbeitet nicht an Symptomen, sondern an Funktionsbedingungen. Und genau dort entsteht die Steuerungsfähigkeit, die stabile Leistung möglich macht – ohne Kompensation, ohne Zufall, ohne Überlastung.
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Tipp: |
| Strukturelle Identifikation dieser Indikatoren gelingt besonders gut durch arbeitswissenschaftliche Analysen wie die GBU. Sie macht Muster sichtbar, die im Alltag übersehen werden – und ermöglicht es, strukturelle Bedingungen zu benennen, bevor sie Leistung beeinträchtigen. |
Leistungsfähigkeit wird steuerbar
Wenn sichtbar wird, welche Bedingungen Teams tragen oder schwächen, verlieren Performanceunterschiede ihre Unsichtbarkeit. Für die Geschäftsführung entsteht damit eine verlässliche Grundlage für Steuerung: nicht Teams zu optimieren, sondern die Voraussetzungen so auszurichten, dass Leistung auch unter Druck stabil bleibt.
Mit den drei Elementen – Bedingungen erkennen, kontextbezogene Leitplanken setzen und Frühindikatoren lesen – wird nachvollziehbar, wo Stabilität entsteht und wo sie verloren geht, lange bevor dies in Kennzahlen sichtbar wird. Dadurch lässt sich eingreifen, bevor Kosten, Verzögerungen oder Ausfälle entstehen und die Geschäftsführung gewinnt nicht nur Stabilität zurück, sie reduziert Reibung, steigert Geschwindigkeit und entlastet seine Schlüsselpersonen.


