Fehlzeiten wirken im Führungsalltag wie Störungen, die man managen muss. In Wirklichkeit erzählen sie in ihrer Summe eine Geschichte über Strukturen, Ziele und Belastungen – und eröffnen eine Gestaltungsaufgabe, die Raum für nachhaltiges Handeln eröffnet.
Regelung des Einzelfalls stehen im Vordergrund
Der Reflex ist schnell da. Eine Krankmeldung kommt, die Führungskraft verteilt Arbeit neu, das Team zieht an – die Ziele bleiben unverändert. Kurzfristig scheint das die einzig machbare Lösung zu sein und ist nachvollziehbar. Dennoch riskiert dies auf Dauer eine Abwärtsspirale, denn es werden „Löcher gestopft“, was auf Qualität und Kundenzufriedenheit negativ einzahlt. Zudem wächst die Belastung für das Team selbst, die gesundheitliche Stabilität sinkt und es drohen weitere Fehlzeiten.
Ist Führungsverhalten die alleinige Ursache?
Die Erwartung ist oft klar formuliert, indem die Führungskraft „gesund führen“ soll, ggf. wird noch eine Qualifizierung angesetzt und dann voller Erwartung auf die einzelne Führungskraft geschaut. Führung hat unbestritten Einfluss auf die Mitarbeitergesundheit, wie man spätestens seit der VW-Studie weiß. Doch dieser Blick allein ist zu eng. Fehlzeiten sind selten ein persönliches Führungsversagen, sondern Ausdruck einer Kette von Ursachen, wie z.B.:
- Zielsysteme, die unbeeindruckt von Ausfällen starr bestehen bleiben,
- Arbeitsgestaltung, die keine Spielräume oder Stellvertretungen vorsieht,
- Führungsinstrumente, die isoliert wirken und keine strukturelle Rückendeckung haben.
Das Ergebnis: Führungskräfte geraten in eine Reaktionsspirale. Sie sollen Verantwortung tragen, aber haben nicht die Hebel in der Hand, die wirklich wirken.
Lösungsansatz – Muster statt Einzelereignisse
Denkrahmen
Fehlzeiten sind nicht nur Abwesenheiten, sondern Signale. Sie zeigen, wo Ziele, Strukturen und Ressourcen aus der Balance geraten. Wer sie als Muster liest, gewinnt eine neue Form von Handlungsfähigkeit.
Umsetzungspfad
1. Zielsysteme überdenken
Wenn Zielsysteme keine Ausfälle berücksichtigen, entsteht ein ständiger Kompensationsdruck. Führungskräfte brauchen Ziele, die Puffer erlauben: Prioritäten, die angepasst werden können, Indikatoren, die Belastung berücksichtigen, und Bewertungsmaßstäbe, die Realität anerkennen.
2. Arbeitsgestaltung stabilisieren
Fehlzeiten kippen Prozesse besonders dort, wo Organisationen auf Kante genäht sind. Stellvertretungslogiken, flexible Ressourcenzuweisungen und tragfähige Prozessketten reduzieren diese Verwundbarkeit – und machen Teams widerstandsfähiger.
3. Führungsinstrumente wirksam einbetten
Rückkehrgespräche oder Teamdialoge entfalten nur dann Wirkung, wenn sie Teil einer größeren Steuerungslogik sind. Isoliert bleiben sie oft ein Ritual. Eingebettet in Daten, Planung und strukturelle Unterstützung werden sie zu echten Hebeln.
Abgrenzung
Der Unterschied zu üblichen Ansätzen liegt darin, dass Fehlzeiten nicht als Einzelproblem behandelt, sondern als organisationales Muster verstanden werden. Nicht das Symptom wird verwaltet, sondern die Ursache wird gestaltet.
Nutzen – Erkenntnisgewinn für Führungskräfte
Für Führungskräfte bedeutet das:
- Sie müssen Fehlzeiten nicht länger als persönliches Defizit verstehen, sondern können sie als Organisationssignal deuten.
- Sie gewinnen Handlungsfähigkeit, weil sie Muster ansprechen und sichtbar machen können, statt nur zu kompensieren.
- Sie positionieren sich als Impulsgeber für strukturelle Verbesserungen – nicht als Einzelkämpfer, die ständig Brände löschen.
Das ist der eigentliche Perspektivwechsel: Führungskräfte werden nicht entlastet, indem man das Thema ignoriert, sondern indem man ihre Rolle systemisch verankert.
Fehlzeiten sind damit weit mehr als eine Kennzahl. Sie zeigen, wie tragfähig eine Organisation wirklich gebaut ist. Entscheidend ist: Werden Fehlzeiten bei Ihnen nur verwaltet – oder als Muster gelesen und gestaltet?



